Denise mit Kindern des Hope Home

Sarah und Joseph sind sehr gläubige Christen und erziehen auch die Kinder, die sie in ihrem Hope Home aufnehmen, fest im Glauben. Dazu gehören zum einen das tägliche Beten, dem die Kinder alleine oder in Gruppen jeden Abend vor dem Schlafengehen für etwa 15 Minuten nachgehen, und regelmäßige Glaubensgespräche, die Sarah mit den Kindern führt. Zum anderen erhält das Hope Home samstags regelmäßig Besuch vom Gemeindepfarrer, und an jedem Sonntag geht es für Sarah, Joseph und die Kinder in den Gottesdienst. Auch ich ließ es mir nicht entgehen, die Gruppe während meines Aufenthalts im Januar 2018 zu begleiten, und so ging es im Schlepptau mit fast 20 Kindern zum sonntäglichen Gottesdienst. Bereits am Samstagabend fangen die Vorbereitungen hierfür an, da alle Kinder auf dem Waschplatz vor dem Haus gründlich gewaschen und alle Outfits für den Ausflug am nächsten Tag zurecht gelegt werden.

Auch wenn der Gottesdienst selbst nur 15 km entfernt stattfindet, bedeutet das, am Sonntagmorgen um 6 Uhr aufzustehen, etwa 10 Kleinkinder einzucremen, zu bürsten und anzuziehen, damit gegen 7:30 Uhr alle startklar sind. Da Sarah und Joseph selbst kein Auto oder anderes Transportmittel haben, sind sie auf die öffentlichen Kleinbusse, sogenannte „Daladalas“ angewiesen. Da diese Busse von Haus aus so voll sind, dass Menschen nicht nur neben- sondern auch aufeinander sitzen und etwa 15 Menschen in einem kleinen Gang stehen, ist es ein scheinbar unmögliches Unterfangen, alle Kinder in einem Bus zu transportieren. Joseph läuft daher schon vorher zu einer der ersten Bushaltestellen und hält so viele Sitzplätze frei, dass alle in einen Bus passen. Das bedeutet dann in etwa so viel wie 10 Sitzplätze für über 20 Personen, weshalb viel gequetscht und gestapelt wird. Für die 15 km lange Fahrt benötigt der Bus etwa 1,5 Stunden – das ist bei stickiger Luft, Hitze und wenig Platz eine ordentliche Anstrengung. Das Erstaunlichste daran war für mich allerdings, dass keines der Kinder, egal ob 13 oder 3 Jahre alt, zu irgendeinem Zeitpunkt jammerte. Ich habe während meines Aufenthalts viel Zeit in diesen Daladalas verbracht, die immer bis zum Bersten gefüllt sind, und dabei auch das eine oder andere Mal wildfremde Babys oder Kinder von Frauen, die mit zwei oder drei Kindern alleine unterwegs waren, auf meinem Schoß gehalten; Kinder gesehen, die zwischen zwei Erwachsenen und dem Rücksitz des Vordermanns für eine Stunde in einer unvorstellbar unbequemen Haltung eingequetscht waren. Und nicht ein einziges Mal habe ich ein Kind erlebt, das jammerte oder gar weinte.

Nach 2 1/2 Stunden Anreise mit dem Bus und zu Fuß kamen wir endlich beim Gottesdienst an, der anschließend ganze 3 1/2 Stunden dauerte. Der Unterschied zwischen einem Gottesdienst in Deutschland und denjenigen, denen ich in Tansania beigewohnt habe, könnte wahrscheinlich größer nicht sein. Die Kirche, die einem großen Pavillon ähnelt, ist prunkvoll, bunt und üppig geschmückt. Vor Beginn der eigentlichen Zeremonie werden über etwa eine Stunde hinweg christliche Lieder im Stehen gesungen, begleitet von einer kleinen Band und mehreren Sängern am Mikrofon. Im Anschluss daran dauert der eigentliche Gottesdienst zwischen einer und vier Stunden und auch das Programm ist nicht mit den Gottesdiensten, die wir gewohnt sind, zu vergleichen. Der Pfarrer predigte über das laute Mikrofon einen Großteil der Zeit, zwischendurch gab es einen gedanklichen Austausch mit der Gemeinde; Menschen machen Notizen von der Predigt, weinen, lachen, tanzen, sind beinahe in Trance. Von dem stringenten und disziplinierten Ablauf eines deutschen Gottesdienstes ist hier keine Spur. Nach dem Gottesdienst verweilen die Kirchgänger in der Regel noch eine Weile vor dem Gotteshaus.

Weil heute die Kirchengemeinde heute zu Ehren des Hope Home ein kleines Fest veranstaltete, in dessen Rahmen die Kinder ein freies Mittagessen erhielten, kam auch ich in den Genuss, das erste Mal in meinem Leben eine Portion Reis mit Rindfleischeintopf mit den Fingern zu essen. Mit einem Gast, der sonst nur mit Besteck umgehen kann, hatte man nämlich nicht gerechnet. Damit habe ich natürlich für viele Lacher bei allen anderen Beteiligten gesorgt, auch wenn ich mich fürs erste Mal gar nicht so schlecht angestellt habe…

Denise

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